hingabe

Hingabe


In ihre Augen sehen zu können, das war, was ihn so faszinierte. Er kniete in der Mitte des Raums, vor dem großen, schweren Eisenbett, an dessen Ecken sich Efeu gleich ausgeprägt verzierte Stahlstützen in den Himmel rankten, einen Himmel der aus weißem Seidentuch mit Goldziselierungen bestand. Die Verzierungen der Stahlstützen erzählten Geschichten von Engeln und Dämonen, vom ewigen Kampf Gut gegen Böse. Die Figuren waren sorgsam herausgearbeitet und so detailliert, dass man teilweise das Gefühl hatte, die Figuren selbst waren in den Stäben eingegossen worden. Doch heute fehlte ihm der Blick für diese Finessen, ruhte er doch einzig und allein auf ihr. Er versank in ihren blauen Augen wie in den Tiefen des Meeres und fühlte sich, als würde er schweben, als würde er in diesem alles durchdringenden Blau baden. Ein wohliger Schauer durchlief ihn bei dem Gedanken daran, völlig mit ihr zu verschmelzen.

 

Sie saß vor ihm, aufrecht auf dem Rand des Bettes, zwischen zwei dieser verzierten Stahlstützen. Sie ließ ihren Blick auf ihm ruhen. Ihm, ihrem Schatz, dieser Kostbarkeit, die sie ihr Eigen nennen durfte. Diesem düsteren Engel mit den langen, schwarzen Haaren, von denen ihm eine Strähne immer wieder ins Gesicht fiel. Seine Augen waren stahlgrau und blickten immer etwas gedankenverloren in die Welt, so als wäre er stets dabei, sich und seine Umwelt aufs Genaueste zu analysieren und dabei zu vergessen, dass das Leben um ihn herum dabei weiter lief. Sein Körper war nackt und sie konnte seine glatte, an  manchen Stellen von kleinen Narben gezeichnete Haut sehen, die sich über seine Muskeln spannte. Er war von mittlerer Statur, nicht zu groß aber auch nicht zu klein und ihn anzusehen bereitete ihr ein Gefühl des Stolzes und der Freude. Ihn da knien zu sehen, vor ihr, für sie, das erfüllte ihr Herz mit soviel Glück, dass es hart an ihre Brust pochte.

 

Neben ihr stand eine schlichte, mit schwarzem Samt bezogene Schatulle, nach der sie jetzt griff. Ihr Blick ruhte weiterhin auf ihm, der da aufrecht und unbeugsam vor ihr kniete. Vor ihr und niemandem sonst fiel er auf die Knie, nur sie erfüllte ihn mit dem Gefühl der Demut, mit dem Wunsch und Willen, dienen zu wollen. So kniete er da, in aufrechter Haltung, ihren Blick fest erwidernd, keine Spur der Schwäche, kein Anflug der Angst oder der Unsicherheit. Er wusste, wer er war, er wusste um seine Stärken und Schwächen und er wusste, dass sie es war, vor der er knien wollte. Ihr wollte er zur Seite stehen, ihren Befehlen gehorchen, ihre Wünsche erfüllen, nur ihr wollte er sich hingeben, nur für sie wollte er schwach sein. Sie öffnete die Schatulle mit einem leisen Klick und ihr Blick fiel auf den Inhalt. Diesen schmalen, schlichten Silberreif, den sie für ihn ausgesucht hatte. Sie nahm ihn vorsichtig aus der Schatulle, fast so als könnte er zerbrechen, wenn sie nicht bedacht genug war. An seiner Vorderseite hing ein kleines, goldenes Vorhängeschloss, das sie nun mit einem winzigen Schlüssel, der an einer Kette um ihren Hals hing, öffnete. Sie nahm das Schloss ab und öffnete den Ring, der sich dank eines unauffälligen Scharniers auf der Rückseite mühelos aufklappen ließ.

 

Sie lächelte ihn an. Beugte sich vor und küsste ihn. ‚Ich liebe dich’, sagte sie, mit fester Stimme. ‚Du bist mein. Mein Eigentum, mein Schutzbefohlener. Mein Spielzeug und mein Miststück. Du bist mein Wille, du lebst meinen Schmerz, du opferst dich mir, bist mir Freund und Vertrauter. Dafür liebe ich dich. Ich liebe dich dafür, dass du stark bist und selbstbewusst, dass du deinen eigenen Willen hast und dem Leben gegenüber unbeugsam bist. Ich liebe dich dafür, dass du dich hingibst, mir Macht über dich schenkst, vor mir kniest und nach meinen Wünschen und zu meinem Wohl dein Leben führst.’ Sie legte den Reif um seinen Hals und ließ ihn sacht zuschnappen. Dann nahm sie das kleine goldene Schloss in ihre Hände, drehte es, streichelte es, sah ihm wieder tief in die Augen. ‚Ich liebe dich.’ Sie küsste ihn mit trockenen, warmen Lippen, ganz sanft und verschloss den Silberring um seinen Hals mit dem winzigen Schloss in ihren Händen.

Nun gehörte er endlich und endgültig ihr. Ihr hatte er sein Leben geschenkt, sie allein konnte nun bestimmen, was er tat und wie er handelte. Ihr hatte er die Macht gegeben über seinen Körper und seinen Geist. Denn nur vollständig konnte und wollte er ihr gehören. Sie hatte ihn mit ihren Gedanken durchdrungen, hatte sich mit ihren kleinen Widerhaken in seinem Kopf und seinem Herzen festgesetzt. Sie hatte ihm gezeigt, was es hieß, zu leiden. Sie hatte seinen Körper geschunden und gequält und er hatte jeden Schmerz, jede Peinigung, jede Demütigung genossen. Er hatte die Spuren ihrer Lust mit stolz getragen, er hatte vor Zorn geweint, er hatte vor Schmerz geweint. Tränen der Liebe, Tränen der Dankbarkeit, Tränen der Demut hatte er vergossen. Für sie. Seine Göttin. Dem Menschen, dem er sich vollständig unterwerfen wollte, unterworfen hatte. Und nun, endlich, nach dem sein Innerstes bereits vollständig mit dem ihren verschmolzen war, durfte er das äußere Zeichen ihrer Verbundenheit tragen. Ihr Halsband, das Symbol des Besitzes, verschlossen von ihrer Hand. Und er hatte das Gefühl, vor Glück und Freude dahin zu schmelzen. Er gehörte ihr.

 

Sie genoss den Anblick des verschlossenen Silberreifs um seinen Hals und lächelte. Ein tiefgründiges, wissendes, stolzes Lächeln. ‚Hol dein Lieblingsspielzeug.’, befahl sie ihm leise aber bestimmt. Ein Schauer durchlief ihn und auf allen vieren ging er zu der alten Kommode aus dunklem Holz, die gegenüber des Bettendes an der Wand stand. Er erhob sich um die oberste Schublade zu öffnen und entnahm ihr eine Peitsche. Sanft streichelte er über den schweren, mit Leder eingefassten Griff, nahm ihn vorsichtig zwischen die Zähne und ging, wieder auf allen vieren, zurück zum Bett. Dort angekommen kniete er sich wieder vor sie, legte die Zwölfschwänzige, mit den geknoteten Lederbändern auf seine Handflächen und reichte sie ihr dar, nun mit gesenktem Kopf. Demütig. Sie nahm den wuchtigen Griff in ihre Hände, wiegte die Peitsche und genoss das Gefühl des kalten, glatten Leders auf ihrer Handinnenfläche. ‚Zum Bock.’, lautete ihre knappe Anweisung nun und die Spannung in ihm wuchs. Er wusste, was ihn nun erwartete und ein wohliger Schauer aus Angst und Freude, dieses seltsame Gefühl, das ihn jedes Mal überkam, wenn er ihren Schmerz empfangen sollte, durchlief ihn. Wieder kroch er auf allen vieren durch den Raum, hin zu dem Strafbock, der an der Fensterseite in der Ecke stand. Er stand auf und beugte sich über ihn, so wie er es sicher schon hundert Mal zuvor getan hatte. Sie legte seine Hände in die Lederfesseln und verschloss sie mit einem festen Ruck, so dass er nun fixiert, mit nacktem Arsch vor ihr lag. Bereit, die Peitsche zu spüren. Sie holte einen Knebel aus der zweiten Schublade der Kommode. Ein Lederband mit einem Stück Gummi, das bereits hier und da kleine Spuren seiner Zähne aufwies. Sie kehrte zu ihm zurück und schob ihm den Gummistab zwischen die Zähne und schloss das Lederband an seinem Hinterkopf. Gänsehaut überzog seinen Rücken, die Furcht vor dem nahenden Schmerz überwog nun, denn er wusste, der Knebel bedeutete Härte. Ein leichtes Zittern durchlief ihn, wie fast immer, wenn die Spannung vor dem ersten Schlag, dem erlösenden ersten Schlag, sich ins Unermessliche steigerte. Wenn sein Herz hart, schnell und fest gegen seinen Brustkorb hämmerte und jeder Muskel in ihm angespannt war. Ausgeliefert war er nun. Ihrer Lust und ihrem Sadismus, ihrer Gnade und ihrer Verantwortung.

 

Sie ließ die geknoteten Enden der Lederbänder über ihre linke Hand gleiten. Spürte, wie hart die Enden waren und wie die Bänder ihre Handfläche umschmeichelten. Es würde wehtun. Er würde leiden. Und dieses Wissen verursachte auch ihr einen wohligen Schauer. Schmerz würde sie ihm zufügen, ihn wimmern lassen, durch den Knebel jammern würde er und sie würde ihn quälen bis an den Rand seiner Belastbarkeit. Sie ließ die Lederbänder nach unten gleiten und streichelte mit der linken Hand sanft über seine Pobacken, die noch immer rot waren von der Behandlung vor dem Halsband-Ritual. Warm waren sie, noch immer, und gut durchblutet. Übers Knie hatte sie ihn gelegt, er hatte nicht gewusst, was heute für ein Tag sein würde. Sie hatte ihn gepackt, als sie fern sahen, hatte seinen Kopf in den Nacken gezogen und ihn angespuckt. Hatte ihn an seinen Haaren ins Schlafzimmer geschleift und ihm befohlen, die spärliche Bekleidung, die er gewohnt war, im Haus zu tragen, abzulegen. Dann hatte sie sich auf den Bettrand gesetzt, ihn zu sich gezerrt und ihn übers Knie gelegt, hatte seinen Hintern lange und fest mit regelmäßigen Schlägen ihrer Handinnenflächen bearbeitet. Grundlos. Wortlos. Einfach nur um ihm zu zeigen, dass sie es konnte. Dass sie tun konnte, was sie wollte, wann immer sie es wollte, weil er ihr gehörte, ihr Eigentum war und hinnehmen musste, was sie tat. Funktionieren musste, wann immer sie es wollte, sich benutzen lassen musste, wie immer sie es wollte. Nicht ein Wort hatte sie gesagt, hatte ihn nicht beschimpft oder gemaßregelt. Hatte ihn nicht verlacht und ihn auch nicht mit Spott bedacht. Stumm war sie geblieben und hatte ihn im Unklaren gelassen, warum sie plötzlich tat, was sie tat.

 

Dann hatte sie ihn vor sich befohlen, auf die Knie. Und hatte ihn angesehen. Und hatte ihm dann ihr Halsband angelegt, von dem er sich schon so lange gewünscht hatte, es für sie tragen zu dürfen. Und nun lag er vor ihr. Nackt und hilflos, gefesselt an den Bock, geknebelt mit einer Gummistange zwischen den Zähnen, mit dem Wissen, dass sie den Flogger in ihren Händen hielt. Den Flogger, mit den zwölf geflochtenen Lederbändern, an deren Enden kleine Knoten waren. Das Spielzeug, das er am meisten liebte, weil er es hasste. Weil er wusste, wie sehr es schmerzte, wenn die Lederbänder auf seine Haut trafen, wenn sich die Knoten in sein Fleisch prägten. Und weil er es liebte, diesen Schmerz empfangen zu dürfen, so für sie zu leiden.

 

Sie hob die Peitsche und holte aus. Er konnte das leise Schwirren hören, als die Bänder durch die Luft schwangen. Er schluckte hart, schloss die Augen und biss in Erwartung der ersten Berührung fest auf das Stück Gummi zwischen seinen Zähnen. Und als die Lederbänder ihn trafen, hart und schmerzhaft, zuckte er kurz zusammen und die Luft entwich zischend zwischen seinen Zähnen. Die Spannung war gebrochen, er war bereit für die Folter, bereit zu leiden und jeder weitere Schlag, der nun folgte, bereitete ihm ein Gefühl aus Lust und Qual. Er genoss jeden einzelnen Schlag und ließ sich in dieses Gefühl fallen. Dem Gefühl der Lust, die der Schmerz in seinem Körper auslöste. Dem Gefühl der Demütigung, weil er ihr so ausgeliefert war, nackt und schutzlos. Dem Gefühl der Hingabe, weil er für sie leiden durfte, weil sein Schmerz ihr Befriedigung verschaffte. Er vergaß Raum und Zeit, konzentrierte sich nur noch auf die harten, unnachgiebigen Küsse der Peitsche auf seinem nackten Fleisch.

 

Sie kostete es aus. Jeden Schlag, jede Strieme, die sie auf seiner Haut hinterließ. Jedes Stöhnen von ihm löste in ihr ein unendliches Gefühl des Glücks aus, jedes Jammern erfüllte sie mit Hochgefühl, einem Gefühl der Macht und der Geilheit. Sein Wimmern verursachte ihr wohlige Gänsehaut und sie genoss es, ihn immer weiter mit Schlägen zu malträtieren. Er litt. Er litt für sie. Für sie allein. Sie schenkte ihm unendlichen Schmerz und er nahm in dankbar an. Und jeder einzelne Schlag verband sie noch ein bisschen mehr. Jeder einzelne Schlag wurde zu einem Band zwischen ihnen, das sie untrennbar zusammenschweißte. Sie achtete auf sein Atmen, sein Wimmern, sein Stöhnen und als es zu einem schnellen, atemlosen Keuchen wurde, hörte sie auf. Sie legte die Peitsche behutsam aufs Bett und kehrte zu seinem geschundenen Körper zurück. Streichelte sanft mit den Fingerspitzen die gerötete Haut, die schon leicht violetten Spuren der Lederbänder auf seinem nackten Hintern. Die Finger strichen über die dunklen Flecken, die die Knoten hinterlassen hatten und wieder durchlief ihn ein Schauer. Sie konnte so sanft, so zärtlich sein. So fürsorglich und liebevoll. Und er genoss jede ihrer Berührungen, kostete sie aus, noch immer mit geschlossenen Augen, den Knebel im Mund. Sie schlug ihn nicht, weil sie ihn hasste. Ihre Schläge waren Liebkosungen. Es war ihre gemeinsame Form der Zärtlichkeit, der Liebe und der Hingabe – für einander. Sie öffnete seinen Knebel und strich ihm sanft über die Wange. Küsste die langsam trocknenden Tränen von seinem Gesicht, von denen er sich wieder mal nicht bewusst war, sie geweint zu haben. Er genoss ihre Küsse auf seiner Haut, die sanften, weichen Lippen, die nun den Weg zu seinem Mund fanden und mit den seinen verschmolzen. Sie öffnete die Lederfesseln und zog ihn an sich. Nahm ihn in die Arme und führte ihn langsam zum Bett, ließ ihn auf das weiße Laken gleiten. ‚Ich liebe dich.’, murmelte sie, ihre langen roten Haare in seinem Gesicht, ihr Gesicht an seiner Schulter vergraben, ihr Mund ganz dicht an seinem Ohr. ‚Ich liebe dich.’, antwortete er, leise und bestimmt und zog sie noch näher an sich. Begann, sie vorsichtig auszuziehen, ganz langsam, voller Zärtlichkeit. Bis sie endlich Haut an Haut, ganz eng beieinander, auf dem Bett lagen und seine Hände anfangen konnten, sie zu erforschen. So wie es nach jedem dieser Spiele war. Als müsste er sie erkunden, weil sie ihm so unbekannt und neu erschien. Und auch ihre Hände fingen an, auf Wanderschaft zu gehen. Seine erhitzte, leicht verschwitzte Haut zu streicheln. Ihren Fingerspitzen folgte sie mit den Lippen, schmeckte seine salzige Haut und genoss dabei jede seiner Berührungen. Langsam, als würden sie sich wieder sicherer werden, als würden sie nun wieder bekannten Boden beschreiten, wurden die Berührungen fordernder, unsanfter. Ihre Hände und Lippen waren nun überall und bedeckten ihre Haut, sie rieben sich aneinander, spürten die Lust des anderen auf der Haut, am ganzen Körper. Versanken ineinander. Sie nahm ihn in sich auf, ließ seinen harten Schwanz in ihre Feuchte gleiten und nahm sich, was sie brauchte. Legte seine Hände auf die Stellen ihres Körpers, an denen sie sie spüren wollte. Bestimmte Dauer und Intensität und verschaffte so ihm und sich selbst größte Lust. Sie benutzte ihn und gab sich ihm gleichzeitig hin. Sie streichelte ihn, bohrte ihre Fingernägel in seine Haut, knabberte an ihm und hinterließ ihre Liebesbisse, Bisse der Ekstase. Bis sie die Anspannung nicht länger ertragen konnte und sich zuckend und stöhnend entspannte und ihm erlaubte, es ihr gleich zu tun.

 

Verschwitzt, befriedigt und glücklich lagen sie nebeneinander auf dem Bett. ‚Mein kleines, geiles Miststück, mein sexsüchtiges kleines Spielzeug.’, sie drehte sich zu ihm und sah ihn grinsend an. Er grinste zurück, legte seine Hände spielerisch hart auf ihre Brüste und meinte nur ‚Wie Mylady wünschen.’, und versank erneut in ihr, auf ihr liegend, ihr in die Augen sehend, wissend, nun für immer ihr gehören zu dürfen.

 

 

 

Kabelbrand im Kopfkino

 

Wieder einmal war er über eine seiner Unzulänglichkeiten gestolpert, hatte es nicht geschafft, sich einen Film gemeinsam mit ihr anzusehen ohne einen einzigen Kommentar abzugeben. Er war einfach eine Plaudertasche und selbst wenn er die ersten 30, ja sogar 40 Minuten einfach nur still dasitzen konnte, irgendwann juckte es ihn doch, das Geschehen auf dem Bildschirm zu kommentieren und so hatte er ihren gerechten Zorn auf sich gezogen.


 

Sie hatte es ihm schon so oft gesagt und wieder einmal hatte er versagt. Doch welche Strafe ihn heute dafür erwarten würde, das hatte sie ihm nicht gesagt. Nur das wissende Lächeln, das ihre Lippen umspielte, verhieß, dass es unangenehm für ihn werden würde. Er hasste es, so steuerbar zu sein, machte ihm dieses Lächeln doch so viel mehr Angst als es ein Rohrstock je würde tun können. Und gleichzeitig war es genau dieses Lächeln, dass ihm diese Gänsehaut bescherte, die ihm über den Nacken ins Gehirn kroch und darin ein fröhliches Feuer entfachte. Dieses Lächeln sorgte dafür, dass ihm flau wurde in der Magengrube und schwummrig im Kopf. Und er wusste nie wirklich, damit umzugehen. Er liebte es und hasste es gleichermaßen. Nein, er liebte es. Er hasste es nicht, aber er fürchtete es. Sehr sogar.


 

Denn dieses Lächeln besagte Schmerz. Und Demütigung. Es sorgte dafür, dass er sich klein fühlte. Unscheinbar. Unsichtbar werden wollte. Unnütz und unwichtig und doch war es so erhebend, es zu sehen. Zu wissen, dass es ihm galt, ihm allein und dass er es war, der es ausgelöst hatte. Er es war, der es ausbaden, der es genießen durfte, mit jeder Faser seines Daseins. Das war nichts Körperliches, auch wenn der Schmerz ihm durch Mark und Bein ging, auch wenn es ihn dermaßen erregte, dass er manchmal meinte, explodieren zu müssen. Es war nichts Körperliches. Es war mehr, es war, als hätte sie direkten Einfluss auf seine Synapsen, eine Fernsteuerung für sein Hirn, als könne sie mit Hilfe dieses Lächelns kleine elektrische Impulse in ihm auslösen, die ihn zur willigen, demütigen Marionette machten.


 

Und demütig war er dann, so demütig, dass er manchmal gar nicht wusste, wohin mit sich und seiner Hingabe. So voll davon, dass er überlief, dass sie aus ihm heraus tropfte, ein sabbernder, steuerbarer Sklave. Dann konnte er sich gar nicht tief genug unter ihr wieder finden, das waren die Momente, in denen vor ihr knien noch viel zu aufrecht war. Dann musste er kriechen, tief unten, mit der Nasenspitze den Boden berühren, weil er das Letzte, das Unterste, ein Nichts war. Und die Demut aus ihm heraus tropfte, ein heulender, zitternder Sklave. Er begriff nicht, wie sie es machte. Er begriff nicht, wieso er so reagierte, wieso er so funktionierte. Alles, was er verstand, war, dass es gut war, so wie es war. In diesen Momenten war es perfekt, auch wenn diese Demut, diese Hingabe einen fast schon körperlichen, fast schon unerträglichen Schmerz in ihm auslöste. Wenn sich sein Herz verkrampfte in all der Liebe für sie, weil es all die Liebe überhaupt nicht mehr fassen konnte, weil all das viel zu groß war für einen Menschen allein. Und schon lange machte er sich keine Gedanken mehr darum, wie lächerlich und schwach er in diesen Momenten wirkte, denn er wusste, sie war da. Sie, die sich dazu herab ließ ihm dann Wärme zu schenken und die Flügel zu verleihen, die dafür sorgten, dass er auferstand wie Phönix aus der Asche. So dass es am Ende genau diese Demut und Demütigung waren, die ihn fliegen ließen, die ihn erhoben und stolz machten. Es war ihr Blick, der so viel aussagte, so viel trug, dass er sich niemals wirklich unwert fühlen konnte.


 

Wirre Gedanken, ambivalente Gefühle, diese Mischung aus ganz unten und gleichzeitig fliegend, am Anfang hatte sie ihn abgeschreckt. Sie hatte ihm Angst gemacht, er hatte sie nicht verstanden, sich nicht verstanden, wäre am liebsten vor sich selbst geflohen. Und vor ihr, die all dies in ihm auslöste. Wäre am liebsten im Boden versunken oder auf eine einsame Insel geflüchtet, weg von all diesem abartigen Kram, bis er begriff, dass es ein Teil von ihm war. Ein Teil, vor dem er nicht fliehen konnte. Ein Teil von ihm, den er akzeptieren musste. Den er akzeptieren konnte, weil sie dafür sorgte, dass er sich selbst verstand, sich selbst so lieben lernte. Ein Teil von ihm, den er nie wieder missen wollte. Der ihn erregte, der ihn glücklich machte, der solche Sehnsüchte in ihm auslöste, dass ihm manchmal vor lauter Sucht fast schwindlig wurde. Ein Teil von ihm, den er nicht steuern konnte – was, wie er am Ende seiner Selbsterkennung begriff, genau das war, was ihn so reizvoll machte. Er konnte sich selbst nicht bestimmen und er wollte es auch nicht. Sollte sie es tun, über ihn bestimmen und ihn steuern. Er hatte irgendwann für sich beschlossen, dass er diese zwiespältigen Gefühle einfach nur noch genießen wollte. Weil sie es waren, die ihn ausmachten und die ihm ein Hochgefühl verliehen, dass er vorher nie gekannt hatte. Es war nicht immer einfach, es war manchmal sehr schmerzvoll und es gab immer noch Momente, in denen er sich, diesen Teil von sich, verfluchte. Aber er wollte ihn nicht mehr missen, wollte nie wieder auf die Gefühle verzichten müssen, die dieser Teil seines Selbst in ihm auslöste.


 

Die sie in ihm auslöste. Mit ihrem Blick, ihrem angedeuteten Lächeln, ihrem diabolischen Grinsen oder dem freudigen Gesicht eines Kindes vor der großen Bescherung, diesem Leuchten in ihren Augen. Eine sanfte Berührung ihrer Fingerspitzen im richtigen Moment an der richtigen Stelle und er war Wachs in ihren Händen. Ein Griff in den Nacken, ein Schlag ins Gesicht, und er fiel sofort in seine Rolle. Ein Wort nur und er gehörte ihr, mit Haut und Haaren und er wusste, er konnte ihr vertrauen, sich ihr anvertrauen. Denn egal wie böse und hintertrieben, wie sadistisch und gemein sie war, sie hielt doch stets ihre schützende Hand über ihn, wachte, passte auf. Und doch konnte er sie fürchten, durfte Angst vor ihr haben. Diese schreckliche Angst, die sich von seiner Magengrube über seinen ganzen Körper ausbreitete, aus Ungewissheit oder weil er genau wusste, was kommen würde. Wie man Angst so lieben konnte hatte er sich lange gefragt. Aber nach dieser einen, bestimmten Art Angst, die sie so mir nichts dir nichts in ihm auslösen konnte, war er süchtig. Er brauchte sie, er wollte sich fürchten und er fürchtete sie. Ihren ungerechten Zorn, ihre gerechte Willkür.


 

Heute hatte er es redlich verdient. Wieso nur konnte er auch nie die Klappe halten. Sein loses Mundwerk hatte ihn nicht zum ersten Mal in Bredouille gebracht. Es hatte, ganz im Gegenteil, schon sehr häufig dafür gesorgt, dass ein Rohrstock auf seinem Po das Zeitliche gesegnet hatte. Wahrscheinlich würde sie ihn heute Abend auf der Party grün und blau schlagen und er hatte das auch noch verdient. Verdientes Aua war nie so gut genießbar wie unverdientes. Auch so eine ambivalente Geschichte. Wieso tat der gleiche Rohrstock anders weh, wenn er wusste, dass er ihn verdient hatte? Wieso fürchtete er Schmerzen mehr, wenn er selbst an ihnen Schuld war? Vielleicht, weil er sich dann zusätzlich zu den Schmerzen über sich selbst schämte? Weil ihm schmerzlich seine Unvollkommenheit, seine Dummheit, seine Unzulänglichkeiten bewusst wurden? Vielleicht. Vielleicht lag es daran, dass Strafe grundsätzlich anders und viel mehr weh tat als einfach nur für ihr Vergnügen da zu sein.


 

Und heute war es Strafe und schon jetzt, lange bevor sie auch nur die Schlaginstrumente in den Köcher gepackt hatte, hätte er heulen können. Wieder einmal hatte er bewiesen, dass er ihrer eigentlich nicht wert war. Und er würde es heute Abend ausbaden, würde sein Haupt senken und seinen Hintern in die Höhe recken um zu empfangen, was er sich verdient hatte.


 

Schweigend packte er nach ihren Anweisungen Köcher und Tasche und wieder stieg diese Angst in ihm hoch. Echte Angst. Und er zitterte bei dem Gedanken an die Schmerzen, die sie mit all diesen Klammern, Gewichten, Schnüren, Peitschen, Rohrstöcken, Paddlen und anderen Spielzeugen auslösen könnte. Auslösen würde. Und kaum dachte er daran, wie sie es tat, erzeugte diese Angst wieder den altbekannten Schauer in ihm, der verbunden war mit leichter Erregung. Und dann dieses wissende, angedeutete Lächeln, das ihre Lippen umspielte. Er war durchschaut. Sie wusste es. Sie wusste alles. Immer. Es war unheimlich. Und unheimlich schön.


 

Sie machten sich zurecht, er zog seine schwarze Lederhose an, das schwarze Hemd, die schwarzen Schuhe, seinen Ring, stets an der rechten Hand. Frisch rasiert, nicht nur im Gesicht, versprenkelte ein paar Tropfen markant-männlichen Duftwassers, fertig. Sie schlüpfte in ihre schwarzen Leinenhosen, dazu eine weiße Bluse und ein schwarzes Unterbrustkorsett, die perfekte Lady. Sie steckte die Haare hoch, nicht, um besonders streng zu wirken, sondern weil die langen Haare sie beim schlagen störten, waren sie unkontrolliert, und schlüpfte in halbhohe schwarze Schuhe. Kein Schmuck, kein Make-Up oder Lippenstift. Nur sie, pur. Mit einem Tröpfchen Vanille-Duft hinter dem Ohr. Das einzige „Vanilla“ an ihr.


 

Nachdem alles im Auto verstaut war, rief sie ihn zu sich. Knie nieder, fast schon im geschäftsmäßigen Ton, und er tat, wie ihm geheißen. Heute, mein Freund, wird deine Strafe mir keinen Tennisarm abverlangen. Sie wird mir diebische Freude bereiten und du wirst sie ertragen. Egal was passiert. Haben wir uns verstanden? Sie sah ihm tief in die Augen. Er nickte nur, der Kloß in seinem Hals war zu groß als dass er noch hätte sprechen können. Sie zog ein kleines Päckchen aus der Hosentasche. Kopf hoch, sie legte ihre Finger unter sein Kinn und wieder durchlief ihn ein Schauer. Dann packte sie es aus. Pflaster. Kinderpflaster um genau zu sein. Kinderpflaster in rosa, mit dieser hässlichen, symmetrischen Katze drauf und Kinderpflaster in blau, mit Bob, dem verdammten Baumeister. Oh Göttin, ihm schwante nichts Gutes. Und dann fing sie an, diese furchtbaren, peinlichen Pflaster wahllos in seinem Gesicht zu verteilen und zu verkleistern. War sie jetzt völlig neben der Spur? Sie bedeutete ihm, aufzustehen und schob ihn vor den Spiegel.


 

Siehst du, Liebster, das ist doch hübsch, grinste sie ihn über den Spiegel hinweg an und ihn packte das kalte Grausen, und Bob und Kitty kamen ihm auf einmal sehr diabolisch vor. So werden wir jetzt auf die Party fahren. Und alle werden erfahren, dass du es in deinem Alter noch immer nicht schaffst, dich ordentlich nass zu rasieren, sie kicherte. Und ihm wurde fast schlecht vor lauter Scham und Wut. Ich geh so nicht vor die Tür, er schüttelte den Kopf, das kannst du nicht machen. Ein kurzer Griff von ihr in seinen Nacken, ein tiefer Blick, du wirst mir nie, nie wieder in einen Film quatschen. Dafür werde ich heute sorgen, sagte sie, und schob ihn zur Tür. Und er, wieder ganz ihre Marionette, öffnete sie und betete nur, dass die Nachbarn gerade nicht hinsahen. Bis zum Auto waren es zum Glück nur ein paar Schritte und er machte drei Kreuze, als er angeschnallt hinter dem Steuer saß. Und nach 20 Minuten Fahrt hatte er die Pflaster in seinem Gesicht schon fast schon vollkommen erfolgreich verdrängt. Fast. Fahr da noch kurz rein, bedeutete sie ihm bei dem Restaurant mit dem güldenen M. Ich brauch noch einen Burger bevor wir uns in die Party stürzen, du weißt ja, das Buffet da drin wird immer erst kurz vor Mitternacht aufgebaut. Er lenkte zum Drive-In-Schalter, bestellte zwei Cheeseburger und fuhr vor zum zweiten Schalter. Und der Blick des fast noch pubertären Jünglings, der ihm die Tüte reichte, holte ihn schlagartig in seine verpflasterte Realität zurück. Und dann beugte sie sich auch noch über seinen Schoß mit den Worten, er hat sich beim rasieren geschnitten, der Kleine. Ein entschuldigender, erklärender Tonfall. Nur ein paar wenige Worte, ein ungläubiger Blick eines pickeligen Teenagers und dann lehnte sie sich in den Sitz zurück mit einem dermaßen selbstzufriedenen Lächeln, dass ihm die Lust auf den Burger verging. Dieses bösartige, niederträchtige, hinterhältige Biest. Dieses verdammte Luder.


 

Auf der Party amüsierten sich ihre Freunde und Bekannte köstlich über seinen Anblick und die Story dahinter. Die Demütigung war noch immer vorhanden und er schämte sich über die Pflaster und vor allem über das, was dazu geführt hatte. Und er schämte sich dafür, dass dieser Teenager ihn so gesehen hatte und dass seine Frau allen erzählte, er könne sich nicht ordentlich rasieren. Doch hier waren alle ähnlich gestrickt, Demütigungen waren so etwas wie Alltag, sie gehörten zum Spiel und je länger der Abend wurde, desto weniger erinnerte er sich an Kitty und Bob in seinem Gesicht und auch die anderen ließen nur noch selten eine Bemerkung diesbezüglich fallen. Selbstverständlich kamen Rohrstock und Konsorten noch zum Einsatz, doch das konnte er jetzt in vollen Zügen genießen, hatte er seine Strafe doch bereits bekommen. Und er war sich fast sicher, dass er nie wieder in einen Film hinein reden würde.


 

Aber wer konnte schon immer die Hand für sich ins Feuer legen.....


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